Growth Rings, 2019
Andreas Schröder (Leipzig)Growth Rings – Wachstumsringe, Jahresringe, Altersringe, Baumringe – kennt jedes Kind, sobald ihm ein gefällter Baum im Wald begegnet: Begeistert wird nachgezählt, wie alt der Baumstamm wohl gewesen sein mag. Andreas Schröder lässt die Zuwachsschichten hell erstrahlen und macht sie zugleich unlesbar.
Einem Fingerabdruck gleich sind feinste Linien und Risse im ausgeleuchteten Plexiglas erkennbar. Doch die um ihre Farbigkeit von Frühholz (dunkler) und Spätholz (heller) beraubten Lebenslinien des Baumes lassen sein Alter nur noch erahnen. Einem Rätsel gleich mag man mit dem Finger den konzentrischen Strukturen folgen, doch überfordert uns die Aufgabe der Bestimmung des Alters. Die Baumscheibe ist verwandelt in ein sphärisches, poetisches, heiligenscheinartiges Bild. Als Lichterscheinung, durch eingravierte Spuren zum Leuchten gebracht, begegnet uns der Baum in Abwesenheit seiner Massivität.
Die Voraussetzung, die Jahresringe eines Baumes zu Gesicht zu bekommen, ist sein Tod. Nur professionell gefällt erhält man Einblick in dieses Innenleben, das Jahr um Jahr wächst – mal mehr, mal weniger, je nach Härte der Wachstumsbedingungen: In guten wie in schlechten Zeiten bilden Bäume in den gemäßigten Zonen Wachstumsringe, mal fallen sie breiter, mal schmaler aus, je nachdem, ob sie Trockenheit und Kälte ausgesetzt oder Milde und Niederschläge ihnen gewogen waren. Fest steht, dass die Growth Rings keinen tropischen Baum abbilden, kennt dieser doch die hiesigen markanten Jahreszeiten nicht und würde nur dezente, seinem eigenen Lebensrhythmus folgende schwach gezeichnete Zuwachsringe zu erkennen geben – was die Möbelindustrie leider zu schätzen weiß. Das Material Plexiglas steht dem Ursprungsmaterial Holz entgegen. Growth Rings thematisiert indirekt große Probleme der Gegenwart: die Gesundheit der Bäume, die Industrie des Waldes, die Problematik von Materialien wie Plastik.
Text: Lisa Steib